Unlängst erwarb ich auf dem Antikmarkt am Rudolfplatz das Buch „Mein Veedel, herausgegeben vom Kölner Stadtanzeiger. Es ist aus dem Jahr 1998 – und eine wirklich spannende Zeitreise. 

Während ich es also betont gelangweilt durchblätterte, um eine bessere Verhandlungsposition für den Preis zu erlangen, fiel mir auf:

Kalk wurde im Inhaltsverzeichnis als „Armenviertel“ bezeichnet (wenngleich in Anführungsstrichen) – und es war ein Bild von der soeben abgerissenen Chemischen Fabrik Kalk (CFK) auf der Doppelseite 222/223 zu sehen. Nur noch der Wasserturm stand. Das war eigentlich sehr deprimierend.

Dennoch nahm ich die vier Euro in die Hand, um dieses Zeitdokument zu sichern.

(Als Lehre eines Umzuges mit mehr als 4.000 Büchern habe ich ja die Abmachung mit meiner Frau: Sobald ich neues Buch kaufe oder erhalte, muss ein altes Buch verschwinden… das bedeutet, die beiden Bücherschränke in Köln-Kalk sollten eigentlich überquellen. Tun sie aber nicht. Vielleicht interpretiere ich diese Absprache manchmal recht locker. Pssst. Verratet mich nicht.)

Im Text von Norbert Ramme steht einleitend:

„Kalk galt durchaus einmal als feine Adresse. Die ‚gute bergische Talluft‘ zog zahlreiche Kölner in die von malerischen Gärten umgebenen Villen der rechtsrheinischen Vorstadt. Das ist gut 150 Jahre her. So weit reicht mein Erinnerungsvermögen nicht zurück. Aber die Diskussionen vor zwei Jahren gehen mir immer noch durch den Kopf. Da sprach alles nur noch vom ‘Armenhaus‘.

Kalk mußte bundesweit als Beispiel herhalten für wirtschaftlichen Abstieg, strukturelle Anpassungsprobleme und sozialen Zündstoff. Nach dem Niedergang der Industrie und dem Aus für die großen Firmen […] galt das Viertel mit hoher Arbeitslosigkeit und hohem Ausländeranteil als Krisengebiet: ein vor Ort ohne Zukunft, ohne Perspektive.“

Es ist doch bemerkenswert, was sich in den letzten 23 Jahren seitdem alles getan hat. In neun Tagen beginnt die 16. (!) Ausgabe der KalkKunst, es wurden und werden unfassbar viele Projekte im Veedel und Stadtbezirk gefördert und es gilt unumstößlich das Wort:

Das Glas ist halb voll, nicht halb leer.

Auch wenn es noch viel zu tun gibt: Die Stiftung KalkGestalten ist – wie seit über 16 Jahren – bereit, dabei mitzuhelfen. Denn manchmal hilft es einfach nach hinten zu schauen, um nach vorn zu blicken!

Euer Heiko Schomberg.

PS: Wer sich noch einmal auf die Reise in die Vergangenheit begeben möchte, dem empfehle ich nachdrücklich die Studie der TH Köln zum Stadtteil- und Quartiermanagement aus dem Jahr 2002 (Seite 43 bis 71).

Veröffentlicht von hschomberg